Ich weiß ehrlich nicht was genau ich
schreiben soll, denn ich hatte mich so sehr auf das Buch gefreut. Es
wäre mein zweites LGBTQ+ Buch gewesen und ich habe eine schöne
Liebesgeschichte erwartet, bei dessen Lesen ich mich einfach
reinfallen lassen kann. Auch die Tatsache, dass die Autorin eine
Own-Voice Autorin ist (also eine Autorin, die selber
lesbisch/bi/queer etc.) ist, ließ bei mir die Spannung steigen. Noch
nie zuvor habe ich eine Geschichte über die Liebe zweier
Frauen/Mädchen gelesen und ich habe mich wirklich sehr darüber
gefreut, als ich es dann als Buddyread starten konnte.
In der Geschichte geht es um Helena,
die bei ihrem Vater und ihrer Stiefmutter aufgewachsen ist. Als sie
eines Tages von ihrem bisher unbekannten leiblichen Bruder eine
Nachricht bekommt, entwickeln sich daraus eine liebevolle
Geschwisterbeziehung. Der Kontakt endet abrupt und Helena muss Wochen
später dem schrecklichen Grund herausfinden. Ihr Bruder Lukas ist
bei einem Unfall ums Leben gekommen. Als sie mit ihrem Freund Ole
über die Sommerferien das Grab besuchen fährt, lernt sie Lukas´
Kumpel kennen – und auch das Mädchen, mit dem Lukas´ zusammen
war.
Klingt das nicht nach herzzerreißenden
Lesestunden? Zumindest dachte ich es.. Nur leider entpuppte sich das
Buch nach einigen Seiten langsam aber stetig zu einer wahren
Enttäuschung. Der Schreibstil der Autorin war zwar wirklich flüssig
und auch wenn er etwas gewöhnungsbedürftig war – es war fast
keine wörtliche Rede eingebaut – war er angenehm und gut zu lesen.
Und dann fingen die Aussagen an, die
meiner Meinung nach, alles zerstört haben. Beginnen, taten sie
relativ früh und tauchten vermehrt auf:
Zitat Seite 24: Katta heulte sogar.
Sie war so ein Mädchen.
Man könnte meinen, dass das
Übertreibung ist, diesen Satz als problematisch zu sehen, jedoch
denke ich da primär an die Leute, vor allem Jungen, die sich durch
diesen Satz angegriffen fühlen könnten. Weinen, wird hier als eine
Handlung angesehen, die nur für, ja was... - schwache Mädchen? -
bedacht ist. #schubladendenken
Ich hätte noch darüber hinweg sehen
können, wären da nicht ständig weitere Kommentare, die mich (bzw.
auch meinem Buddy) wirklich schlucken lassen haben.
Zitat Seite 28: […]
Giese, der Alki,
erklärte, dass uns die Schule mit frischer Begeisterung […]
zurückerwartete.
Zitat
Seite 33: „Kur?“ […]
„Machen das nicht bloß überforderte Mütter?“ […]
Er hatte natürlich vollkommen recht. Ausgebrannte Mütter mit
zappeligen Kindern und geschwächten Großeltern mit neuem Hüftgelenk
schickte man auf Kur […].
Okay,
also abgesehen davon, dass das hier super diskriminierend gegenüber
Menschen mit psychischen, körperlichen und Sucht- Problemen war,
frage ich mich, warum solche Aussagen in einem Jugendbuch vorkommen?
Was hat das für einen Mehrwert?
Sehr
oft musste ich auch Worte wie „Arsch“ , „Titten“ und
„Schlampe“ etc. lesen und es ist mir ehrlich unbegreiflich, warum
solche sexualisierten Wörter in einem Jugendbuch vorkommen müssen?
Unter anderem wurde eine Sexszene ganz beiläufig total abwertend
erwähnt und hat im Kontext nichts zur Geschichte beigetragen.
Gekrönt
wurde das ganze von zwei ganz bestimmten Sätzen bzw. Passagen:
Zitat
Seite 92: „Wir sind in Brandenburg Baby. Egal, ob dein Hund oder
dein Pferd braun ist, du nennst ihn besser wie den guten alten
Führer. Und wenn du ein richtiger deutsche[r] Vorzeigebürger bist,
dann bringst du ihm den Hitlergruß bei.“
Zitat
Seite 313: […] Isi meinte immer, sie wäre gern bi, weil sie dann
Frauen daten und eine Pause von Männern machen könnte.
Ich
verstehe nicht ganz – sollte das in irgend einer Form witzig sein?
Was
ist mit den Menschen, die ihre Familien durch den Krieg verloren
haben? Mit den Menschen, die in diesem Krieg von genau dem Mann
verfolgt und getötet wurden?
Was
ist mit den Leuten, die Alkoholiker oder psychisch Erkrankte in ihrer
Familie haben?
Was
ist mit den bisexuellen oder lesbischen Lesern, die sich das letzte
Zitat durchlesen und dadurch super gekränkt werden?
Warum
werden diese Leute allesamt durch nebenbei erwähnte Sätze so
unglaublich diskriminiert?
Es
wird alles so urkomisch und witzig dargestellt. Vielleicht wollte die
Autorin so, etwas jüngere Leser erreichen, aber was sie meiner
Meinung nach geschafft hat, ist den Menschen ihre Würde zu nehmen
und Probleme bzw. auch die sexuelle Orientierung bloß zu stellen und
sie zu verweichlichen. Für mich persönlich hat das alles das Buch
so unglaublich zerstört, dass ich die eigentliche Geschichte nicht
genießen konnte.
Das
Buch hat knapp 400 Seiten und auf den ersten hundert, sprangen mir so
viele verletzende Aussagen entgegen – viele davon habe ich nicht
zitiert, das würde den Rahmen sprengen. Allerlei Menschen wurden so
gedemütigt, dass ich leider sagen muss: Ich empfehle dieses Buch
unter gar keinen Umständen weiter. Ich finde es wirklich schade,
dass eine LGBTQ+ (+ Own-Voice) Autorin nicht sensibler mit solche
Themen umgehen kann und der Roman leider so viele problematische
Inhalte enthält.
Von
mir bekommt das Buch 1/5 Sternen...